FilmMaterialien 10 - Der komische Kintopp.

Ein Kino-Abend

Königsberger Brief

Von unserem dortigen Korrespondenten

in: Lichtbild-Bühne, Nr. 48, 27.11.1915


Das Hauptereignis dieser Wochen, seitdem ich Ihnen nicht mein übervolles Herz ausgeschüttet habe, ist das persönliche Auftreten von sage und schreibe gleich drei Kinogrößen in Königsberg. Im Apollo-Kino spielten Wanda Treumann und Viggo Larsen allabendlich ihr Lustspielchen GEGENSÄTZE BERÜHREN SICH und ständig warteten die entzückten Königsbergerinnen (siehe Viggo Larsen!) und die meistens feldgrauen, kinobegeisterten Königsberger (siehe Wanda Treumann!) mit geradezu rührender Geduld stundenlang, bis sie endlich ein Billet an der Kasse und, wenn sie viel Glück haben, einen guten Platz im Theater ergatterten. Es ist eben noch was anderes, wenn man Schauspieler, die so bekannt und beliebt sind, wie die Treumann und Larsen, leibhaftig zu sehen Gelegenheit hat. Dann ist dem Königsberger Publikum die Art, wie die beiden hier auftreten (Filmbilder leiten gleichsam zum Spiel auf der Sprechbühne ein und vermitteln auch wieder die Übergänge zwischen den einzelnen Akten) neu. In Berlin ist es etwas, das man gewiß schon hundertmal gesehen hat. Bei uns ist's nur sehr selten dagewesen, und dann ist nicht so nett und lustig gespielt worden, wie Wanda Treumann die endlich zur Liebe bekehrte amerikanische Suffragette und Larsen ihren Verehrer und Ehemann mimt. Kurzum, - das Publikum ist begeistert, und von der Direktion kann man beim Anblick der ausverkauften Häuser eigentlich nur das Gleiche annehmen. Fehlt nur noch, daß auch Wanda Treumann und Viggo Larsen mit uns zufrieden sind! - Ebenso voll, bei ebenso famoser Stimmung ist es im Uraniatheater, wo Anna Müller-Lincke eingezogen, nachdem sie sich erst in allen möglichen Films (zuletzt im Filmschwank IM BLAUEN ENGEL) so recht in die Herzen des Königsberger Kinopublikums hineingespielt hat. Am Freitag erschien sie dann erst zusammen mit dem unverwüstlichen Franz Schmelter im Film JA, DER SOLDATE auf der Flimmerleinwand und spielte eine Berliner Köchin so lustig, mit so viel quellend frischem Humor und einer so herzlichen Gutmütigkeit, wie sie's allein nur kann. Und dann erschien sie eben in Person, von donnernden Beifallssalven begrüßt und sang ein paar lustige Lieder. Die Art der Müller-Lincke erinnert an die der besten Berliner Chansonetten, deren Derbheit so liebenswürdig war, daß man sie neben der parfürmierten Pikanterie der französischen Chansonetten manchmal als wahre Wohltat empfand und die eine Zeit lang die Hauptanziehungskraft jeder Variétébühne waren. In dieser natürlichen und lustigen Art und Weise trägt Anna Müller-Lincke ein Lied vom Werdegang einer Sängerin vor, die vom Konservatorium aus über Konzertpodium und Variétébrettl endlich "Hof"-Sängerin wird. Fast noch komischer wirkte eine Kopie der Otero, bei der sich das Publikum buchstäblich schwach lachte. Von Filmaufführungen war die des Sudermannschen KATZENSTEG schon insofern für Königsberg sehr interessant, als ja Sudermann unser Landsmann ist, und im KATZENSTEG (im Buch und auch im Film) ostpreußische Luft weht. Ganz abgesehen davon gefielen natürlich die vom rein bildhaften Standpunkte aus sehr schönen Bilder und das vortreffliche Spiel aller Darsteller unter Max Macks Regie. Von heiteren Filmen hat von allen der Porten-Film NUR NICHT HEIRATEN... den Vogel bei uns abgeschossen. Die Porten spielt darin einen pummeligen Backfisch ganz reizend. Was wieder sehr vorteilhaft auffiel, waren die geschickten Wortüberleitungen, die den Humor der Bilder unterstützen. Dann hatten wir noch den großen Carmi-Film MEIN LEBEN FÜR DAS DEINE, einen guten von Willy Zeyn geschickt inszenierten Detektiv-Film DAS DUNKLE SCHLOSS, - sie alle zu kritisieren würde zu weit führen und erübrigt sich, da sie alle gefallen haben.

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