FilmMaterialien 6 - Paul Dessau.

Paul Dessaus Musik

Stürme über dem Montblanc

Von Kurt London

in: Der Film, Nr. 6, 7.2.1931


Als man diesen Film begann, war Edmund Meisel für seine Kompositon in Aussicht genommen worden. Als der Film längst fertig aufgenommen, von Dr. Fanck geschnitten wurde, starb Meisel. Man übertrug Dessau die Komposition: er mußte in 14 Tagen damit fertig werden.

Vielfach hat man verbreitet, daß Meisels Skizzen von Dessau zur Grundlage der Musik gemacht oder wenigstens benutzt wurden. Nichts davon ist zutreffend. Dessau übernahm von Meisel auch nicht eine Note. Und das war gut so: ein Musiker vom Range Dessaus braucht keine Anleihen.

Meisel hatte, so berichtet man authentisch, vor seinem Tode die Idee, auch die MONTBLANC-Musik à la BLAUER EXPRESS von einem Jazzorchester ausführen zu lassen. Nicht auszudenken, bei einem solchen Film...

Man kann die Aafa beglückwünschen, daß sie diese Arbeit einem Komponisten übertrug, der nicht nur einen Bildrhythmus modern zu gestalten weiß, sondern der diese Äußerlichkeiten mit einer Musik von Geist und Gehalt verbinden kann, die vielfach ohne weiteres als selbständiger sinfonischer Bau bestehen könnte. Und dies trotz der Schwierigkeiten der immer neu auftauchenden Schnittänderungen.

Dessaus Musik verzichtet auf Äußerlichkeiten des Kintopps. Wir sind ja, gottlob, aus jener Zeit heraus, in welcher es sich darum handelte, filmische Programm-Musik zu machen. Oder vielleicht einen Galopp loszulassen, wenn die Fuchsjagd auf Skiern gezeigt wird. Dessau macht das richtiger: ein Scherzo in einer Art Rondoform, aufgebaut auf dem Thema eines Skiliedes, begleitet die Skifahrer; oder, ein anderes Beispiel, nach dem Absturz Kayßlers erklingt eine heroische Trauermusik, während sich auftürmende Wolken die Trauer der Tochter über den toten Vater symbolisieren.

So finden sich rein geistig genommen, noch eine ganze Reihe von Szenen, deren gedanklich-musikalisches Niveau Meisel, bei allem Respekt vor seinem POTEMKIN, nie erreicht hätte. Kommt dazu die sachgemäße Instrumentierung, die Dessau allein gemacht hat. Angesichts seiner dickleibigen Partitur faßt einen Musiker Respekt vor dieser qualitativen, quantitativen Leistung.

Die Musik klingt durchgehend gut: die Übergänge sind von dem Toncutter Dr. Elling geschickt geschnitten; die Herren Specht, Grimm und Lange haben, gemeinsam mit Dessau als Dirigenten, den Klang der interessanten Partitur einwandfrei auf den Bildstreifen gebannt. Einige kleine Störungen bei der Übertragung mögen an der Kopie gelegen haben.

Résumée: nach wie vor behauptet sich, auch im Tonfilm, die Wichtigkeit guter Musik. Kein noch so erfolgreicher Schlager täuscht darüber hinweg: die Dankbarkeit des Publikums bei solchen Anlässen ist evident. Und da der Schlager den Höhepunkt seiner Herrschaft überschritten zu haben scheint, hoffen wir wieder auf mehr Musik und auf Hinzuziehung von Musikern, die diese ehrenvolle Berufsbezeichnung wirklich verdienen.

Wie zum Beispiel Paul Dessau.


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