FilmMaterialien 8 - Siegfried Arno

Über Militärfilme…

Zur Premiere von 'Der Schönste Mann im Staate'

von H. T.

aus: Lichtbild-Bühne, 19.2.1932


Wenn alles konzentrisch zum Generalangriff bläst, ist es immer ganz reizvoll, sich für eine Zeitlang theoretisch und warmen Herzens neben den allgemein Angegriffenen zu stellen und seine Sache zu prüfen. Der Militärfilm ist seit geraumer Zeit das Karnickel. Am großen, heiligen Feuer der pazifistischen Idee kochte in dieser Saison schon mancher Literat und Kulturreformer sein privates Süppchen. Für den, der es schätzt, sich bei umstrittenen Angelegenheiten sein eigenes Urteil zu bilden, ein triftiger Grund, dem bösen Feind einmal persönlich ins Auge zu sehen, selbst wenn der Militärfilm nicht zu seinem eigensten Interessen-Gebiet gehört.

Eines läßt sich keinesfalls leugnen: daß Militärfilme die große Mode geworden sind. Modische Erscheinungen treten seit jeher überraschend auf, lieben es, sich im Gegensatz zum bisher Gewohnten zu stellen, und je grotesker sie das Heute vom Gestrigen abrücken, desto begeisterter werden sie aufgenommen. Wenn die Mode demnach auch keineswegs das Produkt organischer Entwicklung, systematischen Aufbaues vorstellt, so ist sie doch keineswegs reine Erfindung, ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern entsteht gesetzmäßig aus einem unterbewußten Abwechslungs-Bedürfnis großer Majoritäten.

Rumba, Chasseurhütchen, Windstoß-Frisuren sind Moden, über die man lächelt. Die Militärhumoresken sind eine Mode, über die man mancherorten fuchsteufelswild wird. Das ist kleinlich ungerecht, denn die Militärhumoreske hat mit der Friedensidee genau soviel und so wenig zu tun, wie das Chasseurhütchen mit der weiblichen Tugend. (…)

Einer der mancherlei Gründe, aus denen der lustige Militärschwank so beliebt wurde, liegt in der Geschlossenheit und von der jeweiligen Spielhandlung unabhängigen Beredsamkeit des Milieus. Dieselbe Vorhand, die ein Pensionatsfilm, Varieté-Film, Zirkus-, Ozeandampfer- oder Hotel-Film hat, besitzt das Kasernen-Milieu vor dem neutralen und nicht milieugebundenen Spielfilm. Darüber hinaus knüpft er bei der großen Mehrzahl der männlichen Besucher an eine gemeinsame Lebensphase an, deren lustige und behagliche Momente gerne in der Erinnerung heraufbeschworen werden. Den weiblichen Beschauern schenkt der Militärfilm den angenehmen Kitzel, den Herrn der Schöpfung in jener Lebensphase zu beobachten, in der er nichts, aber schon gar nichts zu sagen hatte und wo er sich in den tausend Nöten des Alltags ohne weibliche Hilfe zurechtfinden mußte. Der Militärfilm hat jetzt seine Zeit, so wie die Militär-Humoresken von Torresani und Hackländer ihre Zeit hatten. Er wird vergehen und verstauben und bald wird man ihn belächeln, wie man jede Mode belächelt, wenn sie gestrig geworden ist. Warum also heute etwas tragisch nehmen, mit weltanschaulichen Hintergründen drapieren, von denen man genau weiß, daß man morgen darüber lächeln wird?


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