... aus dem Geiste der Operette. Materialien zum 10. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 20. - 23. November 1997.
Zeitgenössische Pressestimmen

Die Zukunft der Filmoperette

aus: Der Artist, 25.10.1921


Wo in der neuen Filmoperette die Chöre und die Solisten zu schweigen haben, dort spinnt das Orchester den musikalischen Faden weiter fort. Was das Orchester des Lichtspielhauses da spielt, das ist jetzt noch etwas mehr als Operettenmusik, das ist ideale Filmmusik. Nicht wie üblich ist hier eine Zusammenstellung wesensfremder Melodien zu hören, von handlungsfremden Elementen zusammengesetzt, sondern leitmotivisch durcherarbeitet und außerdem auch melodiös. Es ist richtig, daß auch in der ersten deutschen und in der ersten Filmoperette überhaupt die technische Neuerung nicht fehlt.

Über die Bedeutung der hier schon vor einiger Zeit berichteten Erfindung des vertikal rollenden Notenbandes möge die Zukunft entscheiden. Ich beschränke mich hier lediglich darauf, zu ergänzen, daß dieses in den Film einkopierte Notenband synchron läuft, daß es eine absolute Übereinstimmung mit der Handlung aufweist, aber auch mit der vom Orchester, mit der von den Sängern ausgeführten Musik. Während der Inhalt dieses Notenbandes dem Publikum teils Interesse, teils nur Kurzweil bietet, ermöglicht es dem Kapellmeister, sich von den Mundbewegungen der Sänger und Sängerinnen am Film zu emanzipieren und alle Aufmerksamkeit den Musikern und den lebenden Sängern zuzuwenden. Das ist besonders den Chören gegenüber sehr notwendig, denn sie befinden sich fern von der Handlung, sie sind trotz ihres Mitspielens keineswegs »im Bilde«. Man hat auch Opernfilme genug gesehen, und man hat sich nicht ganz mit Unrecht gefragt, ob denn die Verfilmung von Opern ein Bedürfnis sei. Meine Gegenfrage geht dahin, ob es denn nicht besser sei, Operettenfilme herzustellen, deren künstlerische Hauptvorzüge nicht bloß in einigen wenigen Schlagern und sehr, sehr viel Prosa bestehen. Siehe die moderne Bühnenoperette. Ob es denn nicht endlich notwendig ist, Operetten zu schreiben, in denen viel, sehr viel gesungen und noch mehr musiziert wird. Da sich die Bühne für derlei Taten nicht hergeben will, so muß eben das Kino es tun. Das Publikum sagt nicht nur ja und amen dazu, das Publikum ist sogar sehr froh über den Wechsel. Denn auch in der Operette des Films findet es, was im Film so gern gesehen wird, Bilder, Bilder. So wie die Loslösung von den drei Akten der Operette mit ihren Prosastrecken, Schlagerstationen und endlosen Finales der Wirkung der Filmoperette gar nichts geschadet hat, so günstig wird das für Vielerlei der Wirkung der Filmoperette.


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