FilmMaterialien 7 - Heinz Pehlke.

Heinz Pehlke - mein Meister

Der Kameramann Wolfgang Treu erinnert sich

Nicht viele von uns Kameramännern haben das Glück, zur rechten Zeit ihren Meister zu finden. Zur rechten Zeit, das heißt am Anfang ihrer Laufbahn.

Hamburg, 1957: Ein junger Kamera-Assistent, ausgebildeter Fotograf, seit fünf Jahren in fester, schlecht bezahlter Anstellung bei einem bekannten Kulturfilmschöpfer (so nannte man das damals), leicht frustriert, weil es einfach nicht weiter geht, beschließt, den in Hamburg lebenden Spielfilmkameramännern einen Brief mit einer Bewerbung als Assistent zu schreiben: Igor Oberberg, Willy Winterstein, Ekkehard Kyrath, Albert Benitz und Heinz Pehlke. Vier von diesen damals prominentesten Kameramännern antworten und bestellen mich zu einem Vorstellungsgespräch. Benitz und Winterstein brauchen eigentlich im Moment niemanden, Kyrath und Pehlke suchen ebenfalls keinen Assistenten, wohl aber einen Schwenker, den Operator oder Kameraführer. Dieser war damals noch ein fester, unentbehrlicher Mann im Team. Die Kamera war in der Regel riesig, schwer und unhandlich, der Schwenkkopf war nur durch Kraft und Geschicklichkeit (und Routine) zu halten und zu bewegen - ohne die heute selbstverständliche Hydro- oder Kreiseldämpfung. Wo sollte ein Neuling ohne Übung, und bis dahin ohne Ateliererfahrung, diese Routine hernehmen?

Ekke Kyrath sah das so: Ich durfte ein paar Tage bei seinem Dreh zu DAS HERZ VON ST. PAULI mit Hans Albers in den Proben die Kamera schwenken, argwöhnisch von den Atelierprofis um mich herum beobachtet.

Der andere - eben Heinz Pehlke - sah sich zwei 16mm-Kurzstummfilme an, die ich in einem Amateurfilmclub gedreht, also auch geschwenkt hatte: Er habe einen Auftrag, für die Aral einen Promotionfilm mit Schauspielern und Spielhandlung für eine kleine Firma in Süddeutschland zu drehen - ob ich mir das wohl zutraue. Er würde es jedenfalls mit mir versuchen und der Firma erzählen, ich sei sein Schwenker, mit dem er diesen Film machen wolle…

Dreharbeiten zu SCHINDERHANNES (1958). Assistent Bernhard Hellmund, Operator Wolfgang Treu, Heinz Pehlke mit Regisseut Helmut Käutner

Und so kam es dann dazu. Gleich am zweiten Tag gab es eine Sequenz mit einer Reihe von Reißschwenks, trotz Herzklopfens gelang sie wohl. Nach drei Tagen kamen die ersten Muster, alles war in Ordnung, die Produktion und Regie waren zufrieden. Ob Heinz Pehlke es auch wirklich war, konnte ich so nicht feststellen. Jedenfalls ermutigte er mich, und wir standen es durch. Schon der nächste Film war DER SCHINDERHANNES, bis dahin der aufwendigste und teuerste deutsche Film nach dem Kriege, mit Curd Jürgens und Maria Schell, Regie Helmut Käutner. Auch da funktionierte (fast) alles.

Damit begann für mich eine fünfjährige Zeit der Zusammenarbeit und des intensiven Lernens bei einem Mann, dem ich vieles von dem verdanke, was immer ich seither in diesem Beruf zustande gebracht habe.

Angefangen mit dem Mut zum Risiko, mit einem unbeschriebenen Blatt wie mir zunächst eine kleine, dann aber eine riesige Produktion anzufangen, gab er mir jede Chance: Mit der Zeit überließ er es weitgehend mir, die Aufnahme mit dem Regisseur einzurichten, er vertraute meinem Urteil nach der Aufnahme, er hörte sich Vorschläge an, ertrug meine gelegentliche Unkonzentriertheit angesichts faszinierender Umgebung oder attraktiver Schauspielerinnen. Und ich hatte als Schwenker in der Zeit nach Einrichtung der Einstellung oder Kamerafahrt jede Möglichkeit, zu beobachten, zu lernen und zu beurteilen, wie er seine Lichtstimmungen herstellte. Sein Bestreben schien mir immer zu sein, zu allererst die Schauspieler attraktiv, der Rolle gemäß zu beleuchten, die Lichtstimmung der Szene glaubhaft zu halten. Seine Überlegungen und Einfälle zur technischen Realisierung von Abläufen im Atelier waren von hohem Sachverstand zur Erzielung einer fotografischen Wirkung geprägt. Man denke nur an die im Atelier hergestellten, realistischen Szenen von der Fahrt der "Yorikke", aus dem Kesselraum und vom Untergang in DAS TOTENSCHIFF.

Viele Dinge fallen mir aus anderen Filmen in diesem Zusammenhang ein - sie würden diesen Rahmen sprengen. Er selbst könnte sie auch besser erzählen.

Irgendwann im letzten Jahr unserer Zusammenarbeit, 1962, fühlte ich mich dann flügge - die Nouvelle Vague in ihrer zwar rauhen, unprofessionellen, aber frischen Art zu fotografieren, begann mich zu faszinieren, ich wollte "selber", und zwar vieles anders.

Man gab mir meinen ersten eigenen Film.

Aber selbst wenn ich versuchte, anders zu leuchten: Immer, wenn ich mich in eine Ecke manövriert hatte, gab es da einen verläßlichen Rettungsanker: Ich hatte bei Heinz Pehlke gelernt, wie er es gemacht hätte, er hatte meine Reflexe angesichts schwieriger Situationen geschärft, die Besinnung auf seine künstlerische und handwerkliche Meisterschaft hat mir bis heute aus so mancher Klemme geholfen.

Dafür danke ich ihm. Und für seine große Menschlichkeit.


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